Ausbildungsperspektiven nach Corona

Einschätzungen junger Menschen zum Übergang Schule – Beruf

16.11.2023 | Clemens Wieland

Seit vier Jahren befragt die Bertelsmann Stiftung jährlich junge Menschen danach, wie sie ihre Ausbildungsperspektiven wahrnehmen. Zunächst vor dem Hintergrund der Corona-Entwicklungen und nun nach dem Ende der Pandemie. Die Ergebnisse zeigen: Viele sind heute optimistischer als zu Corona-Zeiten. Junge Menschen mit niedriger Schulbildung jedoch blicken nach wie vor weniger zuversichtlich auf ihre Ausbildungsperspektiven. Viele der Befragten wünschen sich außerdem mehr Unterstützung bei der Berufsorientierung. Clemens Wieland, Mit-Autor der Studie, gibt einen Überblick über die Befragungsergebnisse und beschreibt, welche Ansatzpunkte sich daraus für Jugendberufsagenturen ergeben.

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Über den Autor


Clemens Wieland befasst sich als Senior Expert bei der Bertelsmann Stiftung mit den Themen Berufliche Bildung, Berufsorientierung und Übergangsmanagement auf nationaler und internationaler Ebene. Er hat in diesen Bereichen zahlreiche Projekte initiiert, Beiträge verfasst und Studien veröffentlicht – darunter auch die Befragungen junger Menschen zu ihren Ausbildungsperspektiven in und nach der Corona-Zeit.

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Den Übergang Schule – Beruf in und nach der Pandemie erleben

Die Corona-Pandemie hat zu großen Einschnitte im Aufwachsen Jugendlicher und junger Erwachsener geführt. Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 hat die Bertelsmann Stiftung daher junge Menschen in einer repräsentativen Studie jährlich befragt, wie sie ihre Ausbildungsperspektiven in Anbetracht der Pandemie-Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt wahrnehmen. Im Jahr 2023 wurde, nach dem offiziellen Ende der Pandemie, erneut eine solche Befragung durchgeführt. Im Vergleich zum Vorjahr ist bei der Mehrheit der Befragten insgesamt deutlich mehr Optimismus erkennbar und viele schätzen ihre Chancen auf dem nachschulischen Bildungsweg deutlich besser ein.(1) Das gilt jedoch nicht für alle: Insbesondere junge Menschen mit niedriger Schulbildung haben nach wie vor einen deutlich weniger zuversichtlichen Blick speziell auf ihre Ausbildungsperspektiven als diejenigen mit mittlerer und hoher Schulbildung – ein roter Faden, der sich trotz veränderter Rahmenbedingungen über alle unsere Jugendbefragungen der letzten Jahre hinweg verfolgen lässt. Wenn immer noch jeder vierte junge Mensch mit niedriger Schulbildung schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sieht und insgesamt sogar ein Viertel der Befragten auf jeder Bildungsstufe den Eindruck hat, es gebe zu wenig Ausbildungsplätze, so besteht kein Anlass, auf der Nachfrageseite des Ausbildungsmarktes Entwarnung zu geben.

Methodik der Befragung

Die Befragung wurde im Zeitraum vom 2. bis 30. Juni 2023 durchgeführt. Befragt wurden 1.694 repräsentativ ausgewählte junge Menschen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Studien wurde die Zielgruppe der Befragten altersmäßig erweitert: von 14- bis 20-Jährigen auf die Altersgruppe 14 bis 25 Jahre. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass viele junge Menschen erst in höherem Alter eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen. Bei denjenigen Fragen, die aus den Vorjahren übernommen wurden und bei denen ein zeitlicher Vergleich nach wie vor sinnvoll ist, werden die Altersgruppen 14 bis 20 Jahre und 20 bis 25 Jahre getrennt ausgewiesen. Die Daten wurden nach Alter und Schulbesuch beziehungsweise -abschluss gewichtet. Die Interviews erfolgten mittels standardisiertem Fragebogen zum größten Teil online (n = 1.532) und ergänzend face-to-face (n = 162), um der unterschiedlichen Erreichbarkeit der Zielgruppen Rechnung zu tragen.

Das Interesse an einer Ausbildung

Copyright Informationen anzeigenInfografik mit Befragungsergebnissen zum Ausbildungsinteresse junger Menschen.
Abb. 1: Interesse an einer beruflichen Ausbildung

Das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung ist und bleibt groß: 41 Prozent der 14- bis 25-Jährigen, die noch Schülerinnen und Schüler einer allgemeinbildenden Schule sind, möchten auf jeden Fall eine Ausbildung machen. Insgesamt 34 Prozent sind noch unentschieden. Das bedeutet, dass insgesamt rund drei Viertel der Schülerinnen und Schüler eine Ausbildung zumindest als Option in Betracht ziehen. Das Potenzial ist also groß. Der mit 42 Prozent höchste Anteil an Unentschiedenen findet sich bei den Jugendlichen mit hoher Schulbildung. Auch für junge Menschen mit hoher Schulbildung ist eine Ausbildung also offenkundig sehr attraktiv – hier liegt ein mögliches Potenzial für die Berufsorientierung, um auch dieser Zielgruppe die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Das Ausbildungsinteresse von jungen Menschen mit niedriger Schulbildung ist weiterhin hoch. 73 Prozent von ihnen haben fest vor, eine Ausbildung zu machen und weitere 21 Prozent sind noch unentschlossen. Vergleicht man diese ausgesprochen hohen Werte mit der Ungelerntenquote in der Altersgruppe der 20- bis 34Jährigen, so wird deutlich, wie viele zunächst hoch motivierte junge Menschen auf dem Übergangsweg mit Blick auf die Ausbildung verloren gehen. Laut Berufsbildungsbericht waren im Jahr 2021 39 Prozent der 20- bis 34-Jährigen ungelernt.(2)

Allen Jugendlichen wurde die Frage gestellt, wie sie die Chancen auf einen Ausbildungsplatz einschätzen. Hier zeigt sich insgesamt eine im Vergleich zu den Vorjahren optimistischere Stimmung, was vermutlich zum einen auf das Ende der belastenden Corona-Pandemie und zum anderen auf die gestiegene Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze zurückzuführen ist. 27 Prozent der jungen Menschen sehen derzeit "sehr gute" Chancen auf dem Ausbildungsmarkt und 45 Prozent zumindest "eher gute". Bedenklich ist allerdings, dass von den Jugendlichen mit niedriger Schulbildung 22 Prozent die Ausbildungschancen als "eher schlecht" und vier Prozent diese sogar als "schlecht" einschätzen. Mit anderen Worten: Von denjenigen jungen Menschen, für die die Ausbildung die zentrale beziehungsweise die einzige nachschulische Bildungsoption darstellt, blickt mehr als jeder Vierte eher pessimistisch auf das Ausbildungsgeschehen. (siehe Abbildung 2)

Die Urteile der jungen Menschen zum Engagement der Politik für Ausbildungsplatzsuchende ergeben ein vielschichtiges Bild: neun Prozent sind der Ansicht, dass "sehr viel" unternommen wird, während 37 Prozent der Jugendlichen der Ansicht sind, dass die Politik "eher wenig" für Ausbildungsplatzsuchende tut und es "viel mehr sein sollte". 31 Prozent räumen zwar ein, dass "viel" unternommen wird, betrachten dies aber als "noch nicht genug". Und weitere acht Prozent geben sogar an, die Politik würde in dieser Hinsicht "gar nichts" tun. Die Differenzierung nach der Schulbildung zeigt widersprüchliche Tendenzen. Insgesamt haben junge Menschen mit niedriger Schulbildung einen etwas positiveren Eindruck vom Engagement der Politik. (siehe Abbildung 3)

Das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung ist und bleibt groß.

Und in welcher Form sollte sich die Politik aus Sicht der Jugendlichen mehr für Auszubildende engagieren? Bei dieser Frage werden nicht nur die finanzielle Unterstützung sowohl in der Ausbildung als auch bei den Fahrtkosten und bei einem ausbildungsbedingten Umzug genannt, sondern auch individuelle Unterstützung bei Problemen in der Ausbildung. Bei der Bereitstellung von günstigem Wohnraum werden die größten Defizite der Politik gesehen. (siehe Abbildung 4)

Positiver als in den vergangenen Jahren sind die Einschätzungen der jungen Menschen hinsichtlich der Anzahl der Ausbildungsplätze in Deutschland. Insgesamt 51 Prozent haben den Eindruck, dass ausreichend Ausbildungsplätze vorhanden sind. Trotz der zahllosen Berichte in den Medien über die große Zahl von unbesetzten Ausbildungsplätzen haben aber nur elf Prozent der jungen Menschen den Eindruck, dass es zu viele Ausbildungsplätze gibt. 26 Prozent teilen die Einschätzung, dass zu wenige Ausbildungsplätze in Deutschland bestehen. Dieser Wert zeigt sich stabil über die Bildungsschichten und Altersgruppen hinweg. (siehe Abbildung 5)

Berufsorientierung während der Schulzeit

Copyright Informationen anzeigenInfografiken zu Möglichkeiten sich während der Pandemie über Berufe zu informieren.
Abb.6: Informationen zur Berufswahl

Der Weg von der Schule in die Arbeitswelt beginnt mit der Berufsorientierung. Das kritische Gesamtergebnis zeigt sich über die Vergleichsjahre hinweg ausgesprochen stabil: Nur 21 Prozent der jungen Menschen finden sich gut zurecht, was die Informationen zur Berufswahl angeht. Über die Hälfte (55 Prozent) finden es hingegen schwer, sich in den Informationsangeboten zurechtzufinden. Auffällig ist, dass besonders Jugendliche mit hoher Schulbildung (59 Prozent) diese Einschätzung teilen. Knapp jeder fünfte junge Mensch (18 Prozent) beklagt, dass es insgesamt zu wenig Informationen gibt. Diese Ergebnisse ähneln denen der Vorjahre dahingehend, dass Schwierigkeiten nicht allein durch einen Mangel an Informationen auftreten. Denn das Empfinden sowohl eines Mangels als auch eines Überflusses an Informationen signalisiert, wie wichtig es ist, die vorhandenen Angebote gut zu strukturieren, sie systematisch zur Verfügung zu stellen und Hilfestellung beim Umgang mit ihnen anzubieten, damit sie für junge Menschen besser zugänglich sind und diese damit gut zurechtkommen.

Copyright Informationen anzeigenInfografiken zur Wahrnehmung des Informationsangebots zur Berufsorientierung
Abb. 7: Wie gut fühlen/fühlten sich Jugendliche durch Schule über Berufe informiert?

Wie gut informiert die Schule Schülerinnen und Schüler über Ausbildungsberufe? Bei dieser Frage zeigt sich ein insgesamt recht durchwachsenes Bild. Etwa ein knappes Drittel der jungen Menschen fühlt sich gut bis sehr gut informiert, ein weiteres Drittel eher nicht so gut oder gar nicht und ein knappes Drittel hat keine klare Meinung. Die verbliebenen sechs Prozent berichten, dass Berufsorientierung an ihrer Schule überhaupt kein Thema war. Mit Blick auf die Detailauswertungen fällt auf, dass sich junge Menschen mit niedriger Schulbildung am besten beruflich orientiert fühlen, wohingegen Jugendliche und junge Erwachsene mit hoher Schulbildung die meisten Mängel konstatieren.

Erfahrungen mit Praktika

Praktika gelten als ein wichtiges Instrument der beruflichen Orientierung für junge Menschen: Die eigene Erfahrung kann mehr als jede persönliche Beratung oder digitale Information helfen, beruflich den richtigen Weg einzuschlagen. Zudem werden immer wieder die "Klebeeffekte" von Praktika betont. Damit ist gemeint, dass das gegenseitige Kennenlernen von Jugendlichen und Betrieben in vielen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt in die Aufnahme einer Ausbildung oder eines dualen Studiums münden kann.

Copyright Informationen anzeigenInfografiken, wie zufrieden Jugendliche mit ihrem letzten Schul-Praktikum waren.

Abb. 8: Wie zufrieden waren Jugendliche mit ihrem letzten Schul-Praktikum?

Copyright Informationen anzeigenInfografik, wer junge Menschen bei der Ausbildungsplatzsuche unterstützt.
Abb. 9: Erfahrungen Jugendlicher mit ihrem letzten Praktikum als Schülerinnen und Schüler

Die meisten jungen Menschen haben während ihrer Schulzeit ein Praktikum absolviert. Die Befragungsergebnisse dokumentieren die positiven Wirkungen dieses Instruments: 34 Prozent der Befragten, die ein Praktikum absolviert haben, sind mit ihren Praktikumserfahrungen "voll und ganz zufrieden", weitere 46 Prozent sind "im Großen und Ganzen zufrieden". In beiden Kategorien sind die Einschätzungen von jungen Menschen mit niedriger Schulbildung mit 39 Prozent beziehungsweise 50 Prozent noch besser als diejenigen der beiden anderen Gruppen. Allerdings geben auch 16 Prozent der Befragten insgesamt an, dass sie "nicht zufrieden" waren, weitere vier Prozent sogar "überhaupt nicht". Hier zeigt sich: Je höher die Schulform, desto schlechter das Ergebnis. Fast jeder vierte junge Mensch mit hoher Schulbildung gibt an, "nicht" oder "überhaupt nicht" mit dem letzten Praktikum zufrieden zu sein.

Die differenzierte Betrachtung von unterschiedlichen Aspekten der Praktikumserfahrung ergibt ein sehr vielschichtiges Bild. So beruhen die positiven Erfahrungen beispielsweise auf fairem und wertschätzendem Verhalten der Kolleginnen und Kollegen, einem guten Betriebsklima, neuen Lernerfahrungen und der Verfügbarkeit einer Ansprechperson. Zu den eher kritischen Aspekten gehört, dass immerhin 23 Prozent der Befragten sich während ihres Praktikums eher gelangweilt haben und bei nur 31 Prozent die Praktikumserfahrungen anschließend in der Schule besprochen worden. 13 Prozent kritisieren, dass sie nicht gut behandelt oder nicht wirklich ernst genommen wurden.

Auf Ausbildungsplatzsuche

Wie schätzen ausbildungsinteressierte junge Menschen ihre Chancen ein, nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu finden? Hier zeigt sich – wie schon in den vorangegangenen Abschnitten – eine recht optimistische Haltung. Über 70 Prozent sind sich ganz (31 Prozent) oder ziemlich sicher (41 Prozent), einen Ausbildungsplatz zu finden. Ein knappes Drittel teilt diese Einschätzung nicht oder kann sich dazu noch keine Meinung bilden. Nur bei den jungen Menschen mit niedriger Schulbildung gibt es auch einige, die nicht glauben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Dabei handelt es sich statistisch betrachtet um einen kleinen Anteil von vier Prozent. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die dahinterliegende Aussage dadurch geschmälert wird. Es gilt, mit allen Mitteln zu versuchen, auch diesen jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu bieten. (siehe Abbildung 10)

Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist Unterstützung wichtig. Bei Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz gesucht haben, stehen die eigenen Eltern in der Rangliste der Unterstützer ganz weit oben. 73 Prozent wurden von ihren Eltern bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt. Die Abweichungen zwischen den Schulformen sind dabei minimal. Auf diesen Spitzenplatz folgen dann mit großem Abstand Freunde als Unterstützer (33 Prozent), die Berufsberatung der Agentur für Arbeit (31 Prozent), die Schule (30 Prozent), andere Familienmitglieder (28 Prozent) und das Internet (27 Prozent). (siehe Abbildung 11)

Viele junge Menschen wünschen sich mehr Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Ungeachtet dieser Rangliste wünschen sich viele junge Menschen mehr Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder hätten sich diese gewünscht: Ein knappes Drittel (30 Prozent) gibt an, dass mehr Unterstützung gut (gewesen) wäre. Auffällig ist hier, dass der Wunsch nach Unterstützung besonders bei jungen Menschen mit mittlerer und hoher Schulbildung ausgeprägt ist. Umgekehrt hält ein gutes Drittel (35 Prozent) der jungen Menschen mit niedriger Schulbildung die Unterstützung für ausreichend, jedoch nur jeder Fünfte (22 Prozent) von denjenigen mit hoher Schulbildung. (siehe Abbildung 12)

Von welchen Personen oder Institutionen wünschen sich junge Menschen mehr Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz? 45 Prozent nennen den Wunsch nach mehr Berufsorientierung innerhalb der Schule, wobei auch hier Jugendliche mit hoher Schulbildung einen besonders großen Bedarf äußern (51 Prozent). Einen persönlichen Ansprechpartner außerhalb der Schule wünschen sich 39 Prozent der jungen Menschen. Dieser Wunsch wiederum ist besonders ausgeprägt bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung (47 Prozent). Immerhin ein knappes Drittel (32 Prozent) hätte gern mehr digitale Angebote zur Berufsorientierung – auch dies ist ein Wunsch, der besonders bei jungen Menschen mit hoher Schulbildung ausgeprägt ist. (siehe Abbildung 13)

Beratung und Begleitung – Ansatzpunkte für Jugendberufsagenturen

Die Gesamtschau der Ergebnisse macht deutlich, dass die jungen Menschen zwar insgesamt deutlich optimistischer auf ihre Perspektiven am Ausbildungsmarkt schauen, insbesondere Jugendliche mit niedriger Schulbildung sich jedoch nach wie vor Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen. Bereits während der Pandemie wurde von Fachleuten befürchtet, dass viele Jugendliche gewissermaßen abgetaucht waren und sich auf Grund ihrer Verunsicherung gar nicht erst auf Ausbildungsplätze beworben hatten. Diese Problematik geriet im Zuge der Diskussion um die sogenannten "NEETs" (Not in Education, Employment or Training) nun auch in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei handelt es sich zwar um eine ausgesprochen heterogene Gruppe. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich darin auch viele junge Menschen mit niedriger Schulbildung und problematischen Ausbildungsperspektiven befinden. (3)

Bereits jetzt sind die Jugendberufsagenturen als Anlaufstellen zur Unterstützung, Beratung und Begleitung junger Menschen sehr wichtig und werden in ihrer Bedeutung voraussichtlich noch zulegen.

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass im Koalitionsvertrag der 20. Legislaturperiode sowohl der Ausbau von Jugendberufsagenturen als auch die Einführung einer Ausbildungsgarantie festgeschrieben wurden. Die Ausbildungsgarantie ist mittlerweile beschlossen. Bei der ab August 2024 geplanten Umsetzung werden die Jugendberufsagenturen eine zentrale Rolle haben.(4) Bereits jetzt sind die Jugendberufsagenturen als Anlaufstellen zur Unterstützung, Beratung und Begleitung junger Menschen sehr wichtig und werden in ihrer Bedeutung voraussichtlich noch zulegen.

Folgt man den Befragungsergebnissen, so zeigen sich darüber hinaus drei konkrete Ansatzpunkte für die Arbeit von Jugendberufsagenturen:

  • Aufklärung und Motivation:
    Viele junge Menschen tun sich schwer mit der Orientierung im Dschungel des Angebots an Berufsinformationsmöglichkeiten. Jugendberufsagenturen können hier eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie den Jugendlichen ein realistisches Bild ihrer tatsächlichen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt vermitteln und auf diese Weise vielleicht auch diejenigen zu Bewerbungen motivieren können, die aus Sorge vor Misserfolg ihre Bewerbungsaktivitäten ganz eingestellt haben. Dadurch lassen sich keine strukturellen Ungleichgewichte am Ausbildungsmarkt auflösen, wohl aber die Ausbildungsnachfrage erhöhen und Passungsprobleme reduzieren.
  • Individuelle Begleitung
    Die Befragung macht auch deutlich, dass junge Menschen großen Bedarf an Begleitung bei der Ausbildungsplatzsuche haben. Jugendberufsagenturen können individuelle Unterstützung selbst anbieten oder für den Einzelfall vermitteln. Die Herausforderung kann darin liegen, im Gespräch auch dann Unterstützungsbedarfe auszuloten, wenn sie von den jungen Menschen nicht auf Anhieb geäußert werden.
  • Orientierung
    Junge Menschen tun sich nicht nur schwer damit, sich in dem vielfältigen Angebot von Berufsorientierungsmöglichkeiten zurechtzufinden, sondern auch damit, institutionell die richtige Ansprechpartnerin beziehungsweise den richtigen Ansprechpartner zu finden. Durch ihr Angebot "aus einer Hand" können Jugendberufsagenturen am Übergang Schule - Beruf für unterschiedliche Fragestellungen eine wichtige Rolle in der Orientierung übernehmen, da in ihnen die Kompetenz von Arbeitsagentur, Jobcenter und Jugendamt organisatorisch gebündelt ist.

Die Befragung zeigt auch, dass die berufliche Bildung nach wie vor hoch attraktiv für junge Menschen ist. Das Potenzial der Jugendlichen für diesen Bildungsweg ist enorm und ebenso der Bedarf der Wirtschaft. Jugendberufsagenturen können dieses "Spannungsfeld zwischen der Berufswahlfreiheit junger Menschen und dem Fachkräftebedarf der Betriebe [...] ebnen"(5) und damit einen wesentlichen Beitrag sowohl zur Gestaltung beruflicher Perspektiven junger Menschen als auch zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Deutschland leisten.


Dieser Text ist eine Überarbeitung des Gastbeitrags vom September 2022. Er wurde auf Grund der Veröffentlichung der Ergebnisse der vierten Befragung aktualisiert. Die ursprüngliche Version können Sie hier finden:

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Fußnoten

  • 1Bei der Darstellung der Auswertungsergebnisse handelt es sich um eine gekürzte Fassung der Veröffentlichung von Ingo Barlovic, Denise Ullrich, Clemens Wieland (2023): Ausbildungsperspektiven nach Corona. Eine repräsentative Befragung von Jugendlichen 2023. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Gütersloh.BERTELSMANN STIFTUNG: Ausbildungsperspektiven nach Corona (PDF)
  • 3Vgl. Schnelle, Caroline; Wieland, Clemens (2023): Abgehängt oder nur am Abhängen? Faktencheck NEETs "Not in Education, Employment or Training". Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Gütersloh.BERTELSMANN STIFTUNG: NEET-Faktencheck NEET