Niedrigschwellige Zugänge zu Jugendberufsagenturen
Interview mit Dr. Oliver Dick vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz
09.04.2025 | Redaktion: Silke Flörchinger, Anne Knappe
Um jungen Menschen am Übergang Schule – Beruf Unterstützung anbieten zu können, müssen Jugendberufsagenturen diese im ersten Schritt erreichen. Das gelingt am besten, wenn eine Auswahl von Zugangsmöglichkeiten zur Verfügung steht, die an die heterogenen Lebensumstände der Jugendlichen angepasst und möglichst niedrigschwellig gestaltet sind. Oliver Dick vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism) beschreibt im Interview, welche verschiedenen Arten von Zugangswegen Jugendberufsagenturen einrichten können und welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind.
Über Oliver Dick
Dr. Oliver Dick ist seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter des ism. Methodisch befasst er sich mit qualitativer und quantitativer Sozialforschung gleichermaßen. Seine Themenschwerpunkte sind Evaluation und Qualitätsentwicklung und damit zusammenhängend die Wissenschafts-, Politik- und Organisationsberatung. Die Gestaltung günstiger Rahmenbedingungen für junge Menschen am Übergang ins Erwachsenenalter ist ihm dabei ein besonderes Anliegen.
KontaktÜber das ism
Das ism Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V. widmet sich seit 1992 der Innovation und Evaluation sozialer Arbeit. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Verbesserung von Entwicklungschancen und -bedingungen junger Menschen. Dies wird umgesetzt durch die Beratung, Begleitung und Evaluation zahlreicher Projekte und Programme im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf. Einen Schwerpunkt der Tätigkeiten stellt die Förderung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit dar. Seit 2008 begleitet das ism e.V. den Aufbau und die Weiterentwicklung von Jugendberufsagenturen unter anderem durch Prozessbegleitung, regionale Analysen sowie Konzept- und Programmentwicklung.
Website ismHerr Dick, warum ist das Thema "Zugänge" in Jugendberufsagenturen ein Dauerbrenner?
Jugendberufsagenturen können nur dann erfolgreich arbeiten und junge Menschen beim Übergang in das Erwachsenenleben unterstützen, wenn sie diese auch erreichen beziehungsweise wenn junge Menschen Kontakt zu ihnen aufnehmen. Was zunächst wie eine Plattitüde klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen als anspruchsvolle Aufgabe. So sind gerade junge Menschen mit komplexen Problemlagen, die von einer rechtskreisübergreifenden Begleitung durch die Jugendberufsagenturen in besonderer Weise profitieren könnten, häufig zurückhaltend bei der Inanspruchnahme institutioneller Unterstützungsangebote. Diese Skepsis ist nachvollziehbar, beruht sie doch in vielen Fällen auf negativen Erfahrungen, die im Kontakt nicht zuletzt auch mit den Institutionen gemacht wurden, die sich zu einer Jugendberufsagentur zusammengefunden haben. Auch Stigmatisierungsängste können junge Menschen davon abhalten, sich an Jugendberufsagenturen zu wenden.


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Jugendberufsagenturen können Jugendliche nur unterstützen, wenn sie diese auch erreichen.Jugendberufsagenturen sind daher gut beraten, nicht mit einem Vertrauensvorschuss durch die jungen Menschen zu rechnen. Vielmehr sollten sie sich darauf einstellen, sich dieses Vertrauen zunächst zu erarbeiten. Dazu reicht es nicht aus, eine gemeinsame Anlaufstelle einzurichten und darauf zu warten, dass die Ratsuchenden kommen. Vielmehr ist es von zentraler Bedeutung, sich bei allen jungen Menschen bekannt zu machen und frühzeitig persönliche Beziehungen aufzubauen – nicht erst, wenn es zu Problemen kommt. Jungen Menschen müssen Gelegenheiten geboten werden, die Mitarbeitenden der Jugendberufsagenturen als hilfreiche und verlässliche Ansprechpartner*innen zu erleben. Gelingt dies, dann kann die Jugendberufsagentur zu einem "Selbstläufer" werden und sich in der Lebenswelt der jungen Menschen etablieren.
Welche Arten von Zugangswegen unterscheiden Sie und was charakterisiert diese?
Zunächst einmal ist das "klassische" Modell des Zugangs über gemeinsame Anlaufstellen zu nennen. Der große Vorteil besteht darin, dass hier Mitarbeitende aus allen beteiligten Institutionen unter einem Dach zusammenarbeiten, so dass Ratsuchende unmittelbar Ansprechpersonen vorfinden, die sie zur Klärung ihres Anliegens benötigen. Anders als bei einer Verweisberatung kann hier der Kontakt zu der betreffenden Fachkraft direkt und persönlich hergestellt werden. So wird verhindert, dass junge Menschen auf dem Weg "verloren gehen" und sie letztlich doch nicht in Kontakt zu einer sie unterstützenden Fachkraft kommen.
Neben Angeboten aufsuchender Jugendsozialarbeit erweisen sich unterschiedliche Formen sozialräumlich verorteter Anlaufstellen als hilfreich.
Um auch jene jungen Menschen zu erreichen, die nicht von sich aus aktiv werden und die Hilfen der Jugendberufsagentur in Anspruch nehmen, bedarf es weiterer Zugangswege, die stärker in der Lebenswelt der jungen Menschen verankert sind. Neben Angeboten aufsuchender Jugendsozialarbeit erweisen sich hierzu unterschiedliche Formen sozialräumlich verorteter Anlaufstellen als hilfreich. Dabei ist es häufig sinnvoll, freie Träger mit der Einrichtung entsprechender Anlaufstellen zu beauftragen, insbesondere wenn diese bereits mit anderen Angeboten (beispielsweise der Jugendsozialarbeit oder Jugendarbeit) im Sozialraum vertreten und dort vernetzt sind. Diese verfügen dann gegebenenfalls schon über die nötige Infrastruktur, das heißt über Räumlichkeiten, in die eine entsprechende Anlaufstelle integriert werden kann, sowie über Fachkräfte, die vor Ort bei den jungen Menschen (oder auch deren Familien) bekannt und mit anderen Akteuren vernetzt sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass neue Zugangswege zu jungen Menschen nicht erst aufwändig und langwierig aufgebaut werden müssen, sondern bestehende Zugänge (sowohl räumlich als auch die Beziehungsebene betreffend) genutzt werden können.
Sehr bewährt hat es sich dabei, wenn Mitarbeitende von Jugendamt, Jobcenter und Arbeitsagentur regelmäßig vor Ort präsent sind, um in der den jungen Menschen bekannten und geschützten Umgebung in einen ersten Kontakt zu kommen oder "warme Übergaben" zu ermöglichen. Damit wird eine systematische Anbindung an die Jugendberufsagentur strukturell sichergestellt und deren Zugänglichkeit erhöht.
Auch die enge Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern und allgemeinbildenden wie berufsbildenden Schulen spielt eine wichtige Rolle.
Neben fest institutionalisierten sozialräumlichen Anlaufstellen können auch die enge Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern wie Kammern (beispielsweise für Auszubildende) und freien Trägern (beispielsweise Jugendarbeit, Vormund- und Pflegschaften) sowie die Einbindung haupt- oder ehrenamtlich tätiger Fachleute eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Zugängen zu jungen Menschen spielen, die im Kontakt mit diesen Netzwerkpartnern sind.
Auch eine systematische und intensive Einbeziehung allgemeinbildender wie berufsbildender Schulen trägt dazu bei, dass sich abzeichnende Probleme junger Menschen im Übergang frühzeitig erkannt und bearbeitet werden können. Schule kann dabei gleich in mehrfacher Hinsicht als ein "Fundament für einen gelingenden Übergang in die Arbeitswelt"(1) betrachtet werden. Über den institutionellen Auftrag hinaus bietet der Ort Schule auch einen zentralen räumlichen Bezugspunkt, an dem schulische und außerschulische Akteure gemeinsam eine Unterstützungsstruktur etablieren können, um jungen Menschen nicht nur zu Bildungsabschlüssen zu verhelfen, sondern sie ihren individuellen Bedarfen entsprechend beim Übergang ins Erwachsenenalter zu begleiten. Dies liegt auch insofern nahe, als Schule aus Sicht der jungen Menschen einen wichtigen Teil ihrer Lebenswelt darstellt, an dem sie viel Zeit verbringen, Beziehungen aufbauen und prägende Erfahrungen machen.
Weitere Zugangswege bestehen über die vorhandenen Hilfesysteme der kooperierenden Institutionen sowie über digitale Kontaktkanäle.
Ein weiterer Zugangsweg zu den übergangsbezogenen Angeboten der Jugendberufsagentur besteht über die vorhandenen Hilfesysteme der kooperierenden Institutionen. Dies betrifft insbesondere junge Menschen, zu denen bereits aus einem anderen Anlass Kontakt besteht und bei denen nun Fragen des Übergangs aktuell werden beziehungsweise sich Unterstützungsbedarfe zeigen, die eine Zusammenarbeit mit einem anderen Partner der Jugendberufsagentur erfordern. Dazu gehören beispielweise Schülerinnen und Schüler, die in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften leben und bei denen ein Übergang mittel- oder kurzfristig ansteht, oder junge Menschen in erzieherischen Hilfen, bei denen der Übergang von der Schule in den Beruf ab einem bestimmten Alter relevant wird oder ein (altersbedingtes) Ende der Hilfen absehbar ist (Careleaver).
Ergänzend zu den genannten Zugangswegen haben digitale Kontaktkanäle wie Websites oder die Präsenz auf Social-Media-Plattformen primär die Funktion einer jugendgerechten, lebensweltorientierten Informationsquelle und Erstkontaktmöglichkeit und können darüber hinaus gegebenenfalls auch als Kommunikations- und Austauschplattform genutzt werden. Ein Nutzen für die jungen Menschen entsteht jedoch nur dann, wenn hinter der digitalen Plattform konkrete Strukturen und Prozesse der Zusammenarbeit zwischen den Partnern existieren, die im Anschluss an die virtuelle Kontaktaufnahme greifen und sicherstellen, dass die auf digitalem Wege geäußerten Anliegen auch zeitnah und in angemessener Form bearbeitet werden können.
Worauf sollten Jugendberufsagenturen bei der Auswahl und Gestaltung ihrer Zugänge grundsätzlich achten?
Wichtig ist, dass sich Jugendberufsagenturen der Heterogenität der Lebensumstände und individuellen Voraussetzungen junger Menschen am Übergang ins Erwachsenenalter bewusst sind. Entsprechend vielfältig müssen daher auch bereits die Zugangsmöglichkeiten zu den Unterstützungsangeboten der Jugendberufsagentur sein. Die zuvor skizzierten Zugangswege stellen daher grundsätzlich keine alternativen, sondern sich ergänzende Formate dar, um möglichst viele junge Menschen erreichen zu können.


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Vielfältige Zugänge kommen heterogenen Lebensumständen junger Menschen entgegen.Jugendberufsagenturen sollten folglich sowohl über Komm- als auch Geh-Strukturen verfügen und ergänzend digitale Informations- und Kontaktkanäle nutzen, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken. Bei der konkreten Ausgestaltung bietet es sich an, auf bereits vorhandene Strukturen, Angebote und Kooperationen im Einzugsbereich einer Jugendberufsagentur aufzubauen, diese weiterzuentwickeln und systematisch miteinander zu verknüpfen.
Um den jungen Menschen sowie deren Angehörigen, aber auch externen Fachkräften die Orientierung zu erleichtern, ist es darüber hinaus hilfreich, nach außen stets gemeinsam als Jugendberufsagentur aufzutreten. Dies trägt dazu bei, das "Label" Jugendberufsagentur als "Marke" für übergangsbezogene Unterstützungsangebote zu etablieren und sicherzustellen, dass Angebote als solche (wieder)erkannt werden. Eine zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit, jeweils adressatengerecht ausgerichtet auf junge Menschen, ihre Angehörigen beziehungsweise Bezugspersonen sowie Multiplikator*innen, kann diese Effekte noch verstärken.
Im Zusammenhang mit Zugängen zu Jugendberufsagenturen werden häufig die Begriffe "jugendgerecht" und "niedrigschwellig" verwendet. Was ist damit gemeint, oder was sollte aus Ihrer Sicht damit gemeint sein?
Abstrakt ausgedrückt können die beiden Begriffe als Appell verstanden werden, Angebote und Zugangswege von/zu Jugendberufsagenturen konsequent aus der Perspektive der jungen Menschen zu gestalten und nicht den System- und Handlungslogiken der beteiligten Institutionen zu folgen. Konkret bedeutet dies beispielsweise:
- Anlaufstellen sind gut erreichbar und verfügen über adressatengerechte Öffnungszeiten (beispielsweise auch am späten Nachmittag) sowie ansprechend gestaltete Eingangsbereiche. Die jungen Menschen werden dort persönlich in Empfang genommen.
- Die jungen Menschen machen die Erfahrung, dass sie mit ihren Anliegen vom ersten Moment an ernst genommen werden und ihnen unmittelbar geholfen wird. Bei der Kontaktaufnahme über E-Mail oder Social-Media-Kanäle erfolgt zeitnah eine Rückmeldung an die Ratsuchenden. Was als "zeitnah" zu verstehen ist, ergibt sich dabei aus der jeweils üblichen Reaktionskultur des genutzten Mediums.
- Bei der Anliegensklärung sind die Bedarfe der jungen Menschen und nicht institutionelle Zuständigkeiten handlungsleitend. Zuständigkeiten werden auf die Bedarfe bezogen begründet.
- Bei Bedarf werden auch alltagspraktische und ganzheitliche Hilfen angeboten, um drängende Themen und Konflikte aller Art unmittelbar bearbeiten zu können.
Hier zeigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, den jungen Menschen unterschiedliche Zugangswege zu eröffnen und in deren Lebenswelt präsent zu sein. So fällt es Jugendlichen deutlich leichter, Kontakt zu den Mitarbeitenden der Jugendberufsagentur aufzunehmen, wenn sie diese im Rahmen eines Kickerturniers oder ähnlicher Events im örtlichen Jugendzentrum kennenlernen, als in der Jugendberufsagentur "vorstellig" zu werden, wenn bereits die Einstellung des Kindergeldes oder gar Wohnungslosigkeit drohen.


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Flankierende Angebote wie kostenloses WLAN und Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungsfotos können Niedrigschwelligkeit fördern.Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, als Jugendberufsagentur an Schulen präsent zu sein und sich dort als "Normalangebot" für alle übergangsbezogenen Fragen zu etablieren – nicht nur für jene Schüler*innen, die vermeintlich einen besonderen Unterstützungsbedarf haben.
Jugendberufsagenturen können die Niedrigschwelligkeit auch dadurch fördern, dass sie junge Menschen dazu ermutigen, Anlaufstellen (zunächst) auch ohne konkrete Fragestellungen aufzusuchen. Dies kann beispielsweise darüber erreicht werden, dass in der Anlaufstelle frei nutzbare Computerterminals und Drucker zur Verfügung gestellt werden, ein kostenloser WLAN-Zugang vorhanden ist, vor Ort flankierende Angebote wie die Erstellung von Passbildern oder Bewerbungsfotos vorgehalten werden, oder die Anlaufstelle Teil eines etablierten Jugendcafés ist.
Eine jugendgerechte und niedrigschwellige Jugendberufsagentur zeichnet sich für mich somit insbesondere dadurch aus, dass sie junge Menschen in verschiedenen Lebenssituationen und mit unterschiedlichen Anliegen erreichen kann. Wie oben dargestellt, werden dazu vielfältige Zugangswege und ein breit gefächertes Angebotsspektrum benötigt. Ganz praktisch hat es sich übrigens bewährt, bei allen Überlegungen junge Menschen selbst mit einzubeziehen, also die eigenen Überlegungen durch junge Menschen prüfen zu lassen und deren Rückmeldungen auch umzusetzen.
Welchen typischen Herausforderungen begegnen Jugendberufsagenturen bei der Gestaltung gemeinsamer Zugänge?
Mit Blick auf die unterschiedlichen rechtlichen, strukturellen und professionellen Rahmenbedingungen der Partner besteht eine zentrale Herausforderung zunächst darin, wirklich gemeinsam aufzutreten und so etwas wie eine "Corporate Identity" als Jugendberufsagentur nach innen wie nach außen zu entwickeln. Ausgehend vom jeweiligen gesetzlichen Auftrag und dessen institutioneller Ausgestaltung haben sich in den Agenturen für Arbeit (SGB III), den Jobcentern (SGB II) sowie der Jugendhilfe (SGB VIII) – das heißt dem Jugendamt als öffentlichem Träger und den freien Trägern, denen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips in der Jugendhilfe eine zentrale Rolle zukommt – unterschiedliche Kulturen und Formate entwickelt, mit jungen Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren. Diese gilt es miteinander in Einklang zu bringen und so auszurichten, dass die Jugendberufsagentur als eigenständiger Akteur wahrgenommen wird.
In der Praxis erweist sich dies auch deshalb als durchaus anspruchsvoll, da innerhalb einer Jugendberufsagentur die formalen Regeln der beteiligten Institutionen weiterhin Bestand haben und für die Mitarbeitenden bindend sind. Dies zeigt sich beispielsweise bei Fragen des Datenschutzes und den sich daraus ergebenden Restriktionen hinsichtlich des Informations- und Datenaustauschs zwischen den Fachkräften der unterschiedlichen Rechtskreise. Auch Regelungen wie Einlasskontrollen durch Security-Mitarbeiter, wie sie in einigen Jugendberufsagenturen praktiziert werden, sind einem niedrigschwelligen und jugendgerechten Zugang nicht förderlich.


© Jugendberufsagentur Worms
Eingangsbereich der Jugendberufsagentur WormsBeispiele guter Praxis verdeutlichen jedoch, dass es auch unter den genannten Bedingungen gelingen kann, gemeinsame jugendgerechte und niedrigschwellige Zugänge zu gestalten. So verfügen zahlreiche Jugendberufsagenturen inzwischen über ansprechend gestaltete Eingangsbereiche, in denen junge Menschen persönlich in Empfang genommen, ihre Anliegen geklärt und persönliche Kontakte zu Mitarbeitenden hergestellt werden, die ihnen bei der Bearbeitung dieses Anliegens weiterhelfen können.
Als limitierender Faktor erweisen sich jedoch häufig die verfügbaren personellen Ressourcen. So ist es nicht überall möglich, gemeinsame Anlaufstellen durchgängig mit Mitarbeitenden aus allen Rechtskreisen zu besetzen, was entweder dazu führt, dass Öffnungszeiten eingeschränkt werden müssen, oder bestimmte Anliegen nicht unmittelbar bearbeitet werden können. Auch die Reichweite aufsuchender Angebote ist oftmals begrenzt, insbesondere in Flächenkreisen, wo lange Wege den Zugang zu den jungen Menschen erschweren und viel Zeit beanspruchen.
Um jungen Menschen trotzdem einen niedrigschwelligen Zugang zu ihren Angeboten ermöglichen zu können, sollten Jugendberufsagenturen daher auf eine intensive Kooperation mit anderen Akteuren setzen und Synergien nutzen. Wie oben dargestellt, bieten sich hierzu beispielsweise die Zusammenarbeit mit Angeboten der Jugendarbeit oder -beratung sowie eine systematische und intensive Vernetzung mit Schulen an.
Es braucht Zeit, Kontinuität und Verlässlichkeit – und somit dauerhaft verfügbare Zugangswege –, um das Vertrauen junger Menschen zu gewinnen.
Schließlich gilt es sicherzustellen, dass Zugangswege dauerhaft zur Verfügung stehen. Wie eingangs beschrieben, braucht es Zeit, Kontinuität und Verlässlichkeit, um das Vertrauen junger Menschen zu gewinnen. Noch immer sind diesbezüglich zentrale Angebote wie die aufsuchende Jugendsozialarbeit jedoch häufig projekt- und damit zeitlich befristet finanziert. Nicht selten kommt es daher vor, dass Angebote wieder eingestellt werden, kaum dass sie sich bei den jungen Menschen etabliert haben und von ihnen angenommen werden. Dies ist nicht nur hochgradig ineffizient, sondern bedeutet insbesondere für junge Menschen mit komplexen Problemlagen, dass sie erneut einen Beziehungsabbruch erleben und sich noch weiter von institutionellen Unterstützungsangeboten zurückziehen.
Auch wenn realistischerweise davon auszugehen ist, dass auch künftig wichtige Angebote aus Drittmitteln oder über Zuwendungen beziehungsweise Aufträge finanziert werden (müssen), gilt es daher dafür Sorge zu tragen, dass rechtzeitig vor Projektende eine Anschlussfinanzierung und damit auch eine dringend notwendige personelle Kontinuität sichergestellt wird.
Kurz zusammengefasst: Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Aspekte, wenn wir über Zugänge von/zu Jugendberufsagenturen reden, und was wünschen Sie sich diesbezüglich von den beteiligten Akteuren?
Zum einen müssen die Zugangswege so vielfältig sein wie die jungen Menschen selbst. Eine Jugendberufsagentur, die sich als Ansprechpartnerin für alle jungen Menschen am Übergang ins Erwachsenenalter versteht, muss sich auf die unterschiedlichen Lebenswelten, Bedarfe und Anliegen junger Menschen einstellen und jeweils passende Zugänge ermöglichen. Die Partner vor Ort sollten sich daher nicht nur auf ein einziges Format, beispielsweise eine gemeinsame Anlaufstelle, konzentrieren, sondern parallel unterschiedliche Zugangswege erschließen.
Zum anderen muss es den Partnern gelingen, ihre unterschiedlichen gesetzlichen Aufträge, Zielsetzungen, Zuständigkeiten und institutionellen Handlungslogiken so weit in Einklang zu bringen, dass sie gemeinsam als Jugendberufsagentur auftreten. Wenn die in allen Rechtskreisen vorhandenen Gestaltungsspielräume genutzt werden und gleichzeitig wechselseitig auf bestehende Grenzen Rücksicht genommen wird, kann daraus eine "Verantwortungsgemeinschaft"(2) entstehen und die Jugendberufsagentur sich als die lokale Akteurin für Fragen des Übergangs etablieren.
Alle Akteure sollten ihr Möglichstes tun, um die Arbeit der Jugendberufsagenturen dauerhaft zu gewährleisten.
Damit dies gelingen kann, ist es darüber hinaus wichtig, einen langen Atem zu haben und Zugangswege wie zentrale Angebote nachhaltig abzusichern. So lange es mitunter dauert, das Vertrauen der jungen Menschen zu gewinnen, so schnell ist dieses wieder verspielt, wenn Angebote wegbrechen und bekannte Ansprech- und Vertrauenspersonen plötzlich nicht mehr erreichbar sind. Alle Akteure, insbesondere aber die politisch Verantwortlichen, sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein und ihr Möglichstes tun, um die Arbeit der Jugendberufsagenturen dauerhaft zu gewährleisten.

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